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Fördert der Sport ein Miteinander?

Auf der Tribüne der Mercedes-Benz-Arena. Foto: DOG Stuttgart

Zur Einstimmung auf das sportliche Thema besichtigten die knapp 40 Gäste zuerst die größte Stuttgarter Sportstätte, die Mercedes-Benz Arena. Viele der Teilnehmer waren das erste Mal im Stadion und waren beeindruckt vom Business-Center, den Umkleidekabinen, dem Pressekonferenzraum und natürlich vom Spielfeld. Kaum auf dem Rasen wurden die Kameras gezückt – „wer weiß, wann ich mal wieder die Gelegenheit habe, hier zu stehen“, so der allgemeine Tenor.

Auch der Blick ins Kunst-Turn-Forum, gleich hinter der Arena, war für viele der erste Berührungspunkt mit einer Kaderschmiede des Sports. Manch einer sinnierte über das harte Trainingspensum parallel zur Schule, das von den jungen Hoffnungsträgern im Kunstturnen abverlangt wird. Im SpOrt Stuttgart startete Moderator Gunter Barner die Gesprächsrunde mit einer grundsätzlichen Frage – Was ist eigentlich Integration? Gari Pavkovic, der Integrationsbeauftragte der Landeshauptstadt hatte die Antwort auch parat, „die gleichberechtigte Teilhabe in der Gesellschaft unabhängig von der Herkunft des Einzelnen“. „Diese Teilhabe gelingt im Sport am besten, in anderen Bereichen ist das deutlich schwieriger“, so die Erfahrungen von Pavkovic. Hier hakte Barner, selbst Ressortleiter Sport der Stuttgarter Nachrichten, nach. Ein Paradebeispiel für ein Miteinander der Kulturen sei ja der „Doppelpass“ des Turnerbunds Bad Cannstatt mit dem FC Stuttgart-Cannstatt.

Walter Betsch, Vorstandsvorsitzender des Turnerbunds, blickte dazu ein Jahr zurück. Ausgangssituation war das langjährige Mietverhältnis mit dem türkischen Verein Hilalsport, der sich zum Verein FC Stuttgart-Cannstatt umbenannte. Das Miteinander war zeitweise nicht besonders gut und deshalb haben sich die Verantwortlichen beider Vereine geeinigt an einen Tisch zu sitzen und die Schwierigkeiten und Ungereimtheiten deutlich zu artikulieren. Dieses Aufeinanderzugehen  und das Gespräch miteinander zu suchen war der zentrale Schlüssel für das heutige gute Verhältnis. Es wurde gemeinsame Spielregeln aufgestellt, aus einem Mieter wurde ein wichtiger Kooperationspartner.

Auch Martin Maixner, Vorsitzender der Stuttgarter Sportkreisjugend, sieht den Sport als gute Basis für ein Miteinander der Kulturen. Hilfreich sei dabei, dass der Sport generell bereits über ein grenzübergreifendes Regelwerk verfüge, die helfen, die Gemeinschaft zu pflegen. Was auf dem Spielfeld klappt, ist danach auch kein Problem, so seine Erfahrungen. Sportlerin Özlem Sahin, im türkischen Trabzon geboren, konnte im Boxen bisher noch keine kulturellen Unterschiede feststellen. Erstaunlich sei, so die erfolglreichste türkische Profiboxerin, dass an den diesjährigen Württembergischen Meisterschaften 138 Jugendliche teilgenommen haben, von denen 118 einen Migrationshintergrund haben.

Auch Selim Uludokumaci, A-Jugendtrainer beim FC Stuttgart, blickt nochmals auf die Anfänge der Kooperation mit dem Turnerbund Bad Cannstatt zurück. „Da war die stets große und erfolgreiche Leichtathletik-Abteilung, die eigentlich immer parallel zu uns Trainingszeiten hatte, erinnerte er sich. „Und Ballspiele vertragen sich mit Laufsprints und Hochsprungstraining nicht besonders gut.“ Für ihn waren gerade die Gespräche nicht nur mit den Vereinsverantwortlichen, sondern die gemeinsamen Treffen aller mit den vielen Trainern und Übungsleitern der Schlüssel für ein gemeinsames sinnvolles Miteinander. Beim FC trainieren mittlerweile 240 Jugendliche aus 19 verschiedenen Nationen, Tendenz steigend.

Gari Pavkovic setzte die Stuttgarter Gesamtjugendlichen in Relation. Rund 60 Prozent aller Kinder und Jugendlichen in der Landeshauptstadt haben einen Migrationshintergrund. Uludokumaci unterstrich wie wichtig ihm die Fortbildung der Kinder und Jugendlichen ist. Werte wie Respekt, Disziplin und charakterliche Stärke seien für ihn extrem wichtig, deshalb seien bei ihnen auch die Übungsleiter entsprechend ausgebildet und werden, ein Glücksfall, auch von einem Sozialpädagoge und einem DFB Stützpunktleiter unterstützt. Zeitaufwändig, aber enorm wichtig seien auch die Einbindung und die Gespräche mit den Eltern, auch hier müssen Vorbehalte abgebaut werden. „Bei uns sind schwäbischer Traditionsverein und türkischer Fußballclub aufeinander getroffen und haben nach anfänglichen Schwierigkeiten jetzt einen gemeinsamen Weg gefunden“. Erfolgsrezept? Nein, das gibt es nicht, aber Offenheit, Probleme ansprechen und miteinander reden, sei das wirkungsvollste Mittel, so Betsch und Uludokumaci übereinstimmend.

Gute Projekte für eine Annäherung laufen im Stuttgarter Sport schon einige. Dabei gibt es, so der städtische Integrationsbeauftragte Pavkovic, zwei Wege, den über die Schulen oder den über die Vereine. Martin Maixner ergänzt, dass für ihn das „Gemeinschaftserlebnis Sport“, bei dem Jugendlichen direkt von der Straße abgeholt werden, eindrücklich zeige wie wichtig aber auch wie erfolgreich konsequente Jugendarbeit im Sport sein kann. „Wir haben gemeinsam mit dem Turnerbund zudem ein Programm entwickelt mit dem Namen „Mutti lernt Deutsch“, denn oftmals waren und sind halt gerade auch die sprachlichen Barrieren ein richtiger Bremsklotz“. Außerdem könnten über solche Angebote auch die Eltern bzw. weitere Verwandte und Familienmitglieder für den Sport und den Verein angesprochen und begeistert werden. Hans-Peter Haag, Vorsitzender der Stadtgruppe Stuttgart der Deutschen Olympischen Gesellschaft, auf deren Initiative diese Diskussionsrunde zustande kam, sieht in der Vermittlung von Werten durch die Übungsleiter auch ein wichtiges Puzzlestück für den Erfolg, „ die haben Vorbildcharakter“. „Vorbild, das war mein Bruder“, so Özlem Sahin. „Mein Bruder war Boxer, anerkannt von meinen Eltern und einfach ein Held“. „Ich wollte auch Heldin sein, deshalb wollte ich unbedingt auch Boxsport ausüben“. Mit 21 von zu Hause ausgezogen, boxte sie sich durch und hat heute die Anerkennung, die ihr jahrelang gefehlt hat. Ihr Appell: „Jeder sollte an sich glauben und die Dinge, die er gerne ausüben will, auch ausprobieren, lebt das eigene Leben“.

Moderator Gunter Barner griff zum Schluss der überaus abwechslungsreichen Gesprächsrunde dann noch ein heikles Thema auf – Kopftuch im Sportverein. Übungsleiter, Sportler mit Kopfbedeckung, geht das? Die kontroverse Diskussion zeigte, dass auch hier wie bei allen anderen Fragen des Miteinanders eins hilft – Miteinander reden und gemeinsam im offenen Gespräch Lösungen suchen, damit wird das Miteinander der Kulturen am meisten gefördert.

Sybille Hiller